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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

An zarten unmerklichen Fäden erwuchs die Geschwister Liebe. Eine neue Erfahrung für die ersten Eltern. Sie sahen nun ein Bild der Geselligkeit, des Wohlwollens, zum erstenmal ausser ihnen, sie erkannten ihre eigenen Gefühle, nur in einem jugendlichern Spiegel, wieder.

Bis jetzt hatten beide, solange sie allein waren, nur in der Gegenwart und in der Vergangenheit gelebt, aber nun fieng die ferne Zukunft an, ihnen Freuden zu zeigen. So wie sie ihre Kinder neben sich aufwachsen sahen, und jeder Tag eine neue Fähigkeit in diesen entwickelte, thaten sich ihnen lachende Ansichten für die Zukunft auf, wenn diese Kinder nun einmal Männer und ihnen gleich werden würden – in ihren Herzen erwachte ein neues Gefühl, die Hoffnung. Welch ein unendliches Gebiet aber wird dem Menschen durch die Hoffnung geöffnet! Vorher hatten sie jedes Vergnügen nur einmal, nur in der Gegenwart genossen – in der Erwartung wurde jede künftige Freude mit zahlenloser Wiederhohlung voraus empfunden!

Als die Kinder nun wirklich heranreiften! welche Mannichfaltigkeit kam auf einmal in diese erste Menschengesellschaft! Jeder Begriff, den sie ihnen mitgetheilt hatten, hatte sich in jeder Seele anders gebildet, und überraschte sie jetzt durch Neuheit. Jetzt wurde der Umlauf der Gedanken lebendig, das moralische Gefühl in Uebung gesetzt, und durch Uebung entwickelt, die Sprache wurde schon reicher, und mahlte schon bestimmter,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_011.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)