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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

von Liebe war von reinerer Art, als das erste, es war ganz uneigennützig, da jenes erste bloß auf Vergnügen, auf wechselseitiges Bedürfniß des Umgangs gegründet gewesen war.

Sie betraten also mit dieser neuen Erfahrung schon eine höhere Stufe der Sittlichkeit – sie wurden veredelt.

Aber die elterliche Liebe, in welcher sich beide für ihr Kind vereinigten, bewirkte nun auch eine nicht geringe Veränderung in dem Verhältniß, worinn sie bisher zu einander selbst gestanden hatten. Die Sorge, die Freude, die zärtliche Theilnahme, worinn sie sich für den gemeinschaftlichen Gegenstand ihrer Liebe begegneten, knüpfte unter ihnen selbst neue und schönere Bande an. Jedes entdeckte bei dieser Gelegenheit in dem andern neue sittlich schöne Züge, und eine jede solcher Entdeckungen erhöhte und verfeinerte ihr Verhältniß. Der Mann liebte in dem Weibe die Mutter, die Mutter seines geliebten Sohns. Das Weib ehrte und liebte in dem Mann den Vater, den Ernährer ihres Kindes. Das bloß sinnliche Wohlgefallen aneinander erhob sich zur Hochachtung, aus der eigennützigen Geschlechtsliebe erwuchs die schöne Erscheinung der ehlichen Liebe.

Bald wurden diese moralischen Erfahrungen mit neuen bereichert. Die Kinder wuchsen heran, und auch unter ihnen knüpfte sich allmahlig ein zärtliches Band an. Das Kind hielt sich am liebsten zum Kinde, weil jedes Geschöpf sich in seines Gleichen nur liebet.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_010.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)