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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

durch welches das ganze Menschengeschlecht seine Bildung erhalten hat, und fortfahren wird zu erhalten – nemlich die Tradition, oder die Ueberlieferung der Begriffe.

Die mosaische Urkunde verläßt uns hier und überspringt einen Zeitraum von 15 und mehrern Jahren, um uns die beiden Brüder als schon erwachsen aufzuführen. Aber diese Zwischenzeit ist für die Menschengeschichte wichtig, und wenn die Urkunde uns verläßt, so muß die Vernunft die Lücke ergänzen.

Die Geburt eines Sohnes, seine Ernährung, Wartung und Erziehung vermehrten die Kenntnisse, Erfahrungen und Pflichten der Ersten Menschen mit einem wichtigen Zuwachs, den wir sorgfältig aufzeichnen müssen.

Von den Thieren lernte die erste Mutter ohne Zweifel ihre nothwendigste Mutterpflicht, so wie sie die Hilfsmittel bei der Geburt wahrscheinlich von der Noth gelernt hatte. Die Sorgfalt für Kinder machte sie auf unzählige kleine Bequemlichkeiten aufmerksam, die ihr bis jetzt unbekannt gewesen; die Anzahl der Dinge, von denen sie Gebrauch machen lernte, vermehrte sich, und die Mutterliebe wurde sinnreich im Erfinden.

Bis jetzt hatten beide nur ein gesellschaftliches Verhältniß, nur eine Gattung von Liebe erkannt, weil jedes in dem andern nur einen Gegenstand vor sich hatte. Jetzt lernten sie mit einem neuen Gegenstand eine neue Gattung von Liebe, ein neues moralisches Verhältniß kennen – elterliche Liebe. Dieses neue Gefühl

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_009.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)