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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

sie, sie nicht einmal, wenn sie das Kloster besuchten, aber immer erkundigten sie sich mit Neugierde nach ihrer Gesundheit, ihrem Betragen, und nach dem der Aebtissinn gegen sie. Obgleich niemand von bekanntem Nahmen in diesem Kloster war, so besuchte es doch Monseigneur zuweilen, auch seine Kinder die Prinzen, und wer dahin kam, sah die Mohrin oder fragte nach ihr. Sie war in ihrem Kloster mehr geachtet als die übrigen, und wußte sich viel mit der Sorgfalt, die man für sie hatte, und dem Geheimniß das man daraus machte. Sie lebte sehr fromm, aber man merkte es wohl, daß sie diesem Rufe nicht ganz aus freiem Willen gefolgt war. Als sie einsmal Monseigneur in dem nahgelegenen Walde jagen hörte, so warf sie ganz nachläßig diese Worte hin: „Mein Bruder jagt.“

Man giebt vor, daß sie sich oft sehr hochmüthig zu betragen pflegte. Als eines Tages Frau von Maintenon auf eine Anklage der Aebtissinn zu ihr gekommen, um ihr Gesinnungen einzuflößen die der geistlichen Demuth mehr angemessen wären, und ihr unter andern zu verstehn gegeben, sie wäre das nicht, was sie zu seyn sich einbildete“ so soll sie dieser zur Antwort gegeben haben „Wäre ich es nicht, so würden sie sich nicht die Mühe geben, mir es zu sagen“ diese Nachrichten haben muthmaßen lassen, daß sie eine Tochter des Königs, und der Königinn wäre, daß man sie ihrer Farbe wegen verborgen gehalten, und die Nachricht ausgebreitet habe, die Königinn habe ein todes Kind gebohren.

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft10_126.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)