Seite:De Thalia Band3 Heft10 123.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

 Ludwigs XIV. die Fähigkeit entzogen hätte ein glücklicher nehmlich ein vortrefflicher Mensch zu werden – wenn man seinen Geist in einer Jesuiterschule verstümmelt, seinen Körper durch eine weichliche Erziehung zu Grunde gerichtet hätte, und kein noch so großer Vortheil des Staats würde eine solche Gewaltthätigkeit entschuldigt haben. Aber – ganz anders ist es mit einer Krone. Das Recht an diese hatte er nur von dem Staat und was allein der Staat geben kann, kann um der Wohlfahrt des Staats willen auch genommen werden. Die Erblichkeit der Kronen so wie alle übrigen Würden ist nicht um des Prinzen willen, der sie trägt, sondern um des Staats willen eingeführt – und man müßte annehmen, daß die Unterthanen um ihrer Beherrscher willen da seyn, wenn man von der politischen Gesellschaft verlangen wollte, ihre Wohlfahrt lieber in die unvermeidlichste Gefahr zu setzen, als einem einzelnen Bürger ein Recht zu entziehen, das sie ihm nur um ihrer eignen Wohlfarth willen verliehen hat.

Aber weder das natürliche noch irgend ein positives Recht und die verabscheuungswürdige Gewaltthätigkeit rechtfertigen, welche man nach Entdeckung seiner Geburt über diesen unglücklichen Prinzen verhängte. Das erste Urtheil entzog ihm bloß ein konventionelles und bedingtes Recht, das zweyte beraubte ihn seiner heiligsten Menschenrechte. Von diesen zwey ganz verschiedenen Theilen und Epochen dieser Begebenheit kommt die unschuldige auf Rechnung Ludwigs XIII. und die abscheuliche auf Rechnung Ludwig des Großen. Die Erste liegt ganz im Karakter eines scrupulosen, gewissenhaften, besorglichen Fürsten; die zweyte ganz im Karacter jenes Ehrgeitzigen, der die Löcher der Bastille mit zahllosen Schlachtopfern seiner Herrschbegierde, seines Despotismus angefüllt hat. Der historischen Wahrscheinlichkeit geschieht also von dieser Seite
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft10_123.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)