Seite:De Thalia Band3 Heft10 118.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

und nur noch ein Zweifel bleibt übrig, ob es nemlich wahrscheinlich sey, daß man selbst den Befehlshabern der Staatsgefängnisse die gemessene Ordre gegeben habe, einen so großen Prinzen mit kaltem Blute zu ermorden, wenn er sein Geheimniß entdecke. Diese Unmenschlichkeit läßt sich nicht mit andern trefflichen Zügen aus dem Character Ludwigs XIV. zusammenreimen.

– Indeß war doch, nach dem einstimmigen Zeugniß aller derer, die von dem Gefangenen sprechen, jener Befehl gegeben.

Ludwig XV. zeigte sich weit menschlicher als Ludwig XIV. Er würde ihn gewiß beym Antritt seiner Regierung in Freyheit gesetzt haben, wenn er noch um die Zeit gelebt hätte. Er lag dem Herzog von Orleans häufig an, ihm die Geschichte des Mannes zu entdecken, erhielt aber beständig zur Antwort, daß dieß nicht eher geschehen könne, als bis er aufgehört, unter der Vormundschaft zu stehen. Noch den Tag vorher, ehe er für volljährig erklärt ward, fragte ihn der König, ob es denn ein wirkliches Staatsgeheimniß wäre. “Ja Sire, erwiederte dieser in einer zahlreichen Versammlung, ich würde meine Pflicht übertreten, wenn ich es Ihnen heute eröffnen sollte; aber morgen bin ich schuldig auf alle Fragen zu antworten, die sie mir vorlegen.“

Den folgenden Tag zog ihn der König in Gegenwart seines Hofes bey Seite, um von ihm das Geheimniß zu erfahren. Aller Augen waren auf ihn gerichtet,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft10_118.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)