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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

die Stimmen über ihn gesammelt. Bald darauf begiebt sich der Rath der Zehen auf sein Zimmer und kündigte ihm das Urtheil an. Sogleich wurde ihm die fürstliche Mütze abgenommen, mit dem Bedeuten, sich zum Tode anzuschicken. Aus besonderer Nachsicht erlaubte man ihm noch, ein Testament aufzusetzen, und entweder zu Seelmessen oder zu mildthätigen Zwecken eine gewisse Summe Geldes, wem er wollte, zu vermachen, mit der Bedingung, daß sich dieselbe nicht über 2000 Dukaten erstreckte. Nach diesem führte ihn der Rath der Zehen auf die sogenannte Riesentreppe, wo der jedesmalige Doge gekrönt wurde. Hier stand er voll schrecklicher Erwartung, tiefe Stille herrschte rings umher, und ein Streich trennte den Kopf von dem Rumpfe.

Der Leichnam wurde in einen Sarg gelegt und in sein Erbbegräbniß gebracht. Unmittelbar nach geschehener Hinrichtung begab sich das Oberhaupt des Raths auf die sogenannte Tribune, die aus dem großen Rath nach dem kleinen Platz führte, und zeigte dem versammelten Volke das bluttriefende Schwerdt, mit den Worten: „Der Verräther des Vaterlandes ist gerichtet.“

Der Anzeiger dieses schrecklichen Vorhabens erhielt nicht nur die Freyheit, sondern man bestimmte ihm noch einen jährlichen Gehalt von 1000 Dukaten, vermachte ihm das Privathaus des Falier, und erhob ihn in die Klasse der Patrioten. Dieser unverschämte

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft10_070.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)