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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

zum Ebräer. Groß und herrlich steigt sie auf vor seinem Geiste, die Idee: „Ich will dieses Volk erlösen.“

Aber welche Möglichkeit diesen Entwurf auszuführen? unübersehlich sind die Hindernisse, die sich ihm dabey aufdringen, und diejenigen, welche er bey seinem eigenen Volke selbst zu bekämpfen hat, sind bey weitem die schrecklichsten von allen. Da ist weder Eintracht noch Zuversicht, weder Selbstgefühl noch Muth, weder Gemeingeist noch eine kühne Thaten weckende Begeisterung vorauszusetzen; eine lange Sklaverey, ein 400 jähriges Elend, hat alle diese Empfindungen erstickt. – Das Volk an dessen Spitze er treten soll, ist dieses kühnen Wagestücks, eben so wenig fähig als würdig. Von diesem Volk selbst kann er nichts erwarten, und doch kann er ohne dieses Volk nichts ausrichten. Was bleibt ihm also übrig? Ehe er die Befreyung desselben unternimmt, muß er damit anfangen, es dieser Wohlthat fähig zu machen. Er muß es wieder in die Menschenrechte einsetzen, die es entäußert hat. Er muß ihm die Eigenschaften wieder geben, die eine lange Verwilderung in ihm erstickt hat, das heißt, er muß Hoffnung, Zuversicht, Heldenmuth, Enthusiasmus in ihm entzünden.

Aber diese Empfindungen können sich nur auf ein (wahres oder täuschendes) Gefühl eigener Kräfte stützen, und wo sollen die Sklaven der Egypter dieses Gefühl hernehmen? Gesetzt daß es ihm auch gelänge, sie durch seine Beredsamkeit auf einen Augenblick fortzureißen –

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft10_025.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)