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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

In dem Kleid eines Hirten trägt er einen feurigen Regenten-Geist, einen rastlosen Ehrgeitz mit sich herum. Hier in dieser romantischen Wüste, wo ihm die Gegenwart nichts darbietet, sucht er Hülfe bey der Vergangenheit und Zukunft, und bespricht sich mit seinen stillen Gedanken. Alle Scenen der Unterdrückung, die er ehemals mit angesehen hatte, gehen jetzt in der Erinnerung an ihm vorüber, und nichts hinderte sie jetzt, ihren Stachel tief in seine Seele zu drücken. Nichts ist einer großen Seele unerträglicher, als Ungerechtigkeit zu dulden; dazu kommt, daß es sein eigenes Volk ist, welches leidet. Ein edler Stolz erwacht in seiner Brust, und ein heftiger Trieb zu handeln und sich hervorzuthun gesellt sich zu diesem beleidigten Stolz.

Alles was er in langen Jahren gesammelt, alles was er schönes und großes gedacht und entworfen hat, soll in dieser Wüste mit ihm sterben, soll er umsonst gedacht und entworfen haben? Diesen Gedanken kann seine feurige Seele nicht aushalten. Er erhebt sich über sein Schicksal, diese Wüste soll nicht die Grenze seiner Thätigkeit werden, zu etwas großen hat ihn das hohe Wesen bestimmt, das er in den Mysterien kennen lernte. Seine Phantasie, durch Einsamkeit und Stille entzündet, ergreift was ihr am nächsten liegt, die Partey der Unterdrückten. Gleiche Empfindungen suchen einander, und der Unglückliche wird sich am liebsten auf des Unglücklichen Seite schlagen. In Egypten wäre er ein Egypter, ein Hierophant, ein Feldherr geworden; in Arabien wird er

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft10_024.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)