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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält
Iphigenie in Aulis – Teil 2

Vierter Auftritt.

Clytemnestra. Iphigenie. Der Chor.

Clytemnestra
Er geht! Er flieht dich! – Tochter – Fremdlinge –
Er flieht! – Ich Unglückselige! Sie stirbt!

1590
Er hat sein Kind dem Orkus hingegeben!


Iphigenie.
O weh’ mir! – Mutter! Mutter! Gleiches Leid
berechtigt mich zu gleicher Jammerklage![1]
Kein Licht soll ich mehr schauen! Keine Sonne
mehr scheinen sehn! – O Wälder Phrygiens!

1595
Und du, von dem er einst den Nahmen trug,

erhab’ner Ida, wo den zarten Sohn,
der Mutter Brust entrissen, Priamus
zu grausenvollem Tode hingeworfen!
O hätt’ er’s nimmermehr gethan! den Hirten

1600
der Rinder, diesen Paris, nimmermehr

am klaren Wasser hingeworfen, wo
durch grüne, blüthenvolle Wiesen, reich
beblümt mit Rosen, würdig von Göttinnen
gepflückt zu werden, und mit Hyazinthen,

1605
der Nymphen Silberquelle rauscht – wohin,

mit Hermes, Zevs geflügeltem Gesandten,
zu ihres Streits unseliger Entscheidung,


  1. [68] Gleiches Leid berechtigt mich zu gleicher Jammerklage.) Wehe mir! ruft die Mutter. Wehe mir! ruft die Tochter, denn das nehmliche Lied schickt sich zu beider Schicksal. Der P. Brumoy nimmt es in der That etwas zu scharf, wenn er dem Euripides Schuld gibt, als habe er mit dem Wort μελοσ die Versart bezeichnen wollen, und bei dieser Gelegenheit die weise Bemerkung macht, daß ein Akteur niemals von sich selbst sagen müsse, er rede in Versen.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft7_035.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)