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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

begegnen. Ich gebe dem Einen ein Stück Geld, Sie dem andern ein gleiches; der Meinige betrinkt sich von dem Gelde und begeht in diesem Zustande eine Mordthat, der Ihrige kauft einem sterbenden Vater eine Stärkung und fristet ihm damit das Leben. Ich hätte also durch eben die Handlung, wodurch Sie Leben gaben, Leben geraubet? Nichts weniger. Die Wirkung meiner That hörte mit ihrer Unmittelbarkeit, so wie die Ihrige, auf, meine Wirkung zu seyn.“

Wenn aber mein Verstand diese Folgenreihe übersiehet, und nur diese Uebersicht mich zu der That bestimmt – wenn ich dem Bettler dieses Geld gab, um einem sterbenden Vater das Leben damit zu fristen, so sind doch alle diese Folgen mein, wenn sie so eintreffen, wie ich sie mir dachte.

„Nichts weniger. Vergessen Sie nur nie, daß Eine Ursache nur Eine Wirkung haben kann. Die ganze Wirkung, die Sie hervorbrachten, war, das Geldstück aus Ihrer Hand in die Hand des Bettlers zu bringen. Dieß ist von dieser ganzen langen Kette von Wirkungen die einzige, die auf Ihre Rechnung kommt. Die Arznei wirkte als Arznei u.s.f. – Sie scheinen verwundert. Sie glauben, daß ich Paradoxe behaupte, ein einziges Wort könnte uns vielleicht mit einander verständigen, aber wir wollen es lieber durch unsre Schlüsse finden.“

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_139.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)