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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

wo ich meiner Kraft mich freue, ist schon ein werdendes Leben an meine Verwesung angewiesen. Zeigen Sie mir ein Wesen, das dauert, so will ich tugendhaft seyn.“

Was hat denn die wohlthätigen Empfindungen verdrängt, die einst der Genuß und die Richtschnur Ihres Lebens waren? Saaten für die Zukunft zu pflanzen, einer hohen ewigen Ordnung zu dienen –

„Dienen! Dienen gewiß, so gewiß als der unbedeutendste Mauerstein der Simmetrie des Pallastes, die auf ihm ruhet! Aber auch als ein mitbefragtes, mitgenießendes Wesen? Lieblicher gutherziger Wahn des Menschen! deine Kräfte willst du ihr widmen? Kannst du sie ihr denn weigern? Was du bist und was du besitzest, bist du ja nur, besitzest du nur für sie. Hast du gegeben, was du geben kannst, und was du allein ihr geben konntest, so bist du auch nicht mehr, deine Gebrechlichkeit spricht dir das Urtheil, und sie ist es auch, die es vollziehet. Aber wer ist denn diese Natur, diese Ordnung, wider welche ich klage? Immerhin! Möchte sie, wie der Griechen Saturn, ihre eigenen Kinder verzehren, wäre sie selbst nur, überlebte sie auch nur die vergangne Sekunde! – Ein unermeßlicher Baum steht sie da im unermeßlichen Raume. Die Weisheit und die Tugend ganzer Generationen rinnen wie Säfte in seinen

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_122.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)