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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

Baron von F*** an den Grafen von O***.
Dritter Brief.
4. Junius.     

Der Marchese von Civitella, der von seinen Wunden nun ganz wieder hergestellt ist, hat sich vorige Woche durch seinen Oncle, den Kardinal, bei dem Prinzen einführen lassen, und seit diesem Tage folgt er ihm, wie sein Schatten. Von diesem Marchese hat mir Biondello doch nicht die Wahrheit gesagt, wenigstens hat er sie weit übertrieben. Ein sehr liebenswürdiger Mensch von Ansehn und unwiderstehlich im Umgang. Es ist nicht möglich, ihm gram zu seyn, der erste Anblick hat mich erobert. Denken Sie Sich die bezauberndste Figur, mit Würde und Anmuth getragen, ein Gesicht voll Geist und Seele, eine offne einladende Miene, einen einschmeichelnden Ton der Stimme, die fließendste Beredsamkeit, die blühendste Jugend mit allen Grazien der feinsten Erziehung vereinigt. Er hat gar nichts von dem geringschätzigen Stolz, von der feierlichen Steifheit, die uns an den übrigen Nobili so unerträglich fällt. Alles an ihm athmet jugendliche Frohherzigkeit, Wohlwollen, Wärme des Gefühls. Seine Ausschweifungen muß man mir weit übertrieben haben, nie sah’ ich ein vollkommeneres, schöneres Bild der Gesundheit. Wenn

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_111.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)