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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

sich eine Zweifelsucht in ihm, die auch das Ehrwürdigste nicht verschonte.

Es halfen mehrere Dinge zusammen, ihn in dieser Gemüthslage zu erhalten und noch mehr darin zu bevestigen. Die Zurückgezogenheit, in der er bisher gelebt hatte, hörte jezt auf, und mußte einer zerstreuungsvollen Lebensart Platz machen. Sein Stand war entdeckt. Aufmerksamkeiten, die er erwiedern mußte, Etikette, die er seinem Rang schuldig war, rissen ihn unvermerkt in den Wirbel der großen Welt. Sein Stand sowohl als seine persönlichen Eigenschaften öffneten ihm die geistvollesten Zirkel in Venedig; bald sah’ er sich mit den hellsten Köpfen der Republik, Gelehrten sowohl als Staatsmännern in Verbindung. Dieß zwang ihn, den einförmigen, engen Kreis zu erweitern, in welchem sein Geist sich bisher bewegt hatte. Er fieng an, die Armuth und Beschränktheit seiner Begriffe wahrzunehmen, und das Bedürfniß höherer Bildung zu fühlen. Die altmodische Form seines Geistes, von so vielen Vorzügen sie auch begleitet war, stand mit den gangbaren Begriffen der Gesellschaft in einem nachtheiligen Kontrast, und seine Fremdheit in den bekanntesten Dingen sezte ihn zuweilen dem Lächerlichen aus; nichts fürchtete er so sehr, als das Lächerliche. Das ungünstige Vorurtheil, das auf seinem Geburtslande haftete,

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_088.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)