Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält Iphigenie in Aulis – Teil 1 | |
|
der Schiffe müß’ge Last zurückgesandt,
in Aulis länger unnütz nicht zu rasten!
Was für ein Leiden, keine tausend Schiffe
mehr zu befehligen, auf Trojas Feldern
nicht mehr der Griechen Schaaren auszubreiten!
Da kam man zu dem Bruder „Was zu thun?
und die erworbne Herrlichkeit mir bleib’?“
Es kündigt eine günst’ge Fahrt den Schiffen
der Seher Kalchas aus dem Opfer an,
wenn du dein Kind Dianen schlachtetest.
gleich, gleich bist du’s zufrieden, sie zu geben.
Aus freiem Antrieb, ohne Zwang (daß man
dich zwang, kannst du nicht sagen) sendest du
der Königinn Befehl, dir ungesäumt
(so gabst du vor) die Tochter herzusenden.
Nun hast du plötzlich eines andern dich
besonnen, sendest heimlich widersprechenden
Befehl nach Argos; nun und nimmermehr
Doch ist die Luft, die jezo dich umgibt,
die nehmliche, die deinen ersten Schwur
vernommen. Doch so treiben es die Menschen!
Zu hohen Würden sieht man Tausende
- ↑ [61] Wie fiel dir plözlich da die Last vom Herzen.) Im Griechischen klingt es noch stärker: Du freutest dich in deinem Herzen. Erleichtert konnte sich Agamemnon allenfalls fühlen, [62] daß ihm durch Kalchas ein Weg gezeigt wurde, seine Feldherrnwürde zu erhalten, und seine ehrgeizigen Absichten durchzusetzen; freuen konnte er sich aber doch nicht, daß dieses durch die Hinrichtung seiner Tochter geschehen mußte.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_024.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)