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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält
Iphigenie in Aulis – Teil 1

Sehr ernstlich wünschtest du, was du in schlauer
Gleichgültigkeit zu bergen dich bemühtest.
Wie demuthsvoll, wie kleinlaut warst du da!

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Wie wurden alle Hände da gedrücket!

Da hatte, wer es nur verlangte, wer’s
auch nicht verlangte, freien Zugang, freies
und ofnes Ohr bei Atreus Sohn! Da standen
geöfnet allen Griechen deine Thore!

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So kauftest du mit schmeichlerischem Wesen

den hohen Rang, zu dem man dich erhoben.
Was war dein Dank? Des Wunsches kaum gewährt,
sieht man dich plötzlich dein Betragen ändern.
Der Freunde wird nicht mehr gedacht, schwer hält’s

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nur vor dein Angesicht zu kommen, selten

erblickt man dich vor deines Hauses Thoren.
Die alte Denkart tauscht kein Ehrenmann
auf einem höhern Posten. Mehr als je,
hebt ihn das Glück, denkt seiner alten Freunde

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der Ehrenmann, denn nun erst kann er ihnen

vergangne Dienste kräftiglich vergelten.
Sieh’! Damit fiengst du’s an! das war’s, was mich
zuerst von dir verdroß! Du kommst nach Aulis,
das Heer der Danaer mit dir. Der Zorn

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der Himmlischen verweigert uns die Winde.

Gleich bist du weg. Der Streich schlägt dich zu Boden.
Es dringt in dich der Griechen Ungeduld,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_023.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)