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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält
Iphigenie in Aulis – Teil 1

Sie wählt – o hätte nie und nimmermehr

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so die Verderbliche gewählt! – sie wählt

den blonden Menelaus zum Gemahle.
Nicht lang, so läßt in Lacedämons Mauren,
in reichem Kleiderstaate blühend, blitzend
von Gold, im ganzen Prunke der Barbaren,

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der junge Phrygier sich sehen, der,

wie das Gerücht verbreitet, zwischen drei
Göttinnen einst der Schöne Preis entschieden,
gibt Liebe und empfängt und flüchtet nach
der Ida fernen Triften die Geraubte.

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Es ruft der Zorn des Schwerbeleidigten

der Fürsten alte Schwüre jezt heraus.
Zum Streite stürzt ganz Griechenland. In Aulis
versammelt sich mit Schiffen, Rossen, Wagen
und Schilden schnell ein fürchterlicher Mars.

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Mich, des Erzürnten Bruder, wählen sie

zu ihrem Oberhaupt. Unselges Zepter,
wärst du in andre Hände doch gefallen!
Nun liegt das ganze aufgebotne Heer,
weil ihm die Winde widerstreben, müßig

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in Aulis Engen. Unter fürchterlichen

Beängstigungen bringt der Seher Kalchas
den Götterspruch hervor, daß, wenn die Winde
sich drehn und Trojas Thürme fallen sollen,
auf Artemis Altar der Schützerinn

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von Aulis, meine Iphigenia, mein Kind,


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_007.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)