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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

Einen jeden entsetzte diese Erscheinung, die junge Gräfinn allein fand ihren eigenen Kummer im Gesicht dieses Fremdlings wieder und hing mit stiller Wollust an dem einzigen Gegenstand in der Versammlung, der ihren Gram zu verstehen schien. Allgemach verlief sich das Gedränge, Mitternacht war vorüber, die Musik fing an stiller und verlohrner zu tönen, die Kerzen dunkler und endlich nur einzeln zu brennen, das Gespräch leiser und immer leiser zu flüstern – und öder ward es, und immer öder im trüberleuchteten Hochzeitsaal; der Mönch stand unbeweglich und immer derselbe, einen stillen und traurigen Blick auf das Brautpaar geheftet. Die Tafel wird aufgehoben, die Gäste zerstreuen sich dahin und dorthin, die Familie tritt in einen engeren Kreis zusammen; der Mönch bleibt ungeladen in diesem engeren Kreis. Ich weiß nicht, woher es kam, daß niemand ihn anreden wollte; niemand redete ihn an. Schon drängen sich ihre weibliche Bekannte um die zitternde Braut herum, die einen bittenden Hülfe suchenden Blick auf den ehrwürdigen Fremdling richtet; der Fremdling erwiedert ihn nicht. Die Männer sammeln sich auf gleiche Art um den Bräutigam – Eine gepreßte erwartungsvolle Stille – „Daß wir untereinander da so glücklich sind“ hub endlich der Greis an, der allein unter uns allen den Unbekannten nicht zu bemerken, oder sich doch nicht über ihn zu verwundern schien: „Daß wir so glücklich sind, sagte er, und mein Sohn Jeronymo muß fehlen!“

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft5_110.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)