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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

Nachforschungen auf’s eifrigste fortgesetzt. Lorenzo selbst that verschiedene Seereisen, setzte seine Person manchen Gefahren aus; keine Mühe, keine Kosten wurden gespart, den Verschwundenen wieder zu finden. Aber auch diese zwei Jahre verstrichen fruchtlos, wie alle vorigen.“

„Und Gräfinn Antonie? fragte der Prinz. Von ihrem Zustande sagen Sie uns nichts. Sollte sie sich so gelassen in ihr Schicksal ergeben haben? Ich kann es nicht glauben.“

„Antoniens Zustand war der schrecklichste Kampf zwischen Pflicht und Neigung, Haß und Bewunderung. Die uneigennützige Großmuth der brüderlichen Liebe rührte sie; sie fühlte sich hingerissen, den Mann zu verehren, den sie nimmermehr lieben konnte; zerrissen von widersprechenden Gefühlen, blutete ihr Herz. Aber ihr Widerwille gegen den Chevalier schien in eben dem Grade zu wachsen, wie sich seine Ansprüche auf ihre Achtung vermehrten. Mit tiefem Leiden bemerkte er den stillen Gram, der ihre Jugend verzehrte. Ein zärtliches Mitleid trat unvermerkt an die Stelle der Gleichgültigkeit, mit der er sie bisher betrachtet hatte; aber diese verrätherische Empfindung hinterging ihn, und eine wüthende Leidenschaft fing an ihm die Ausübung einer Tugend zu erschweren, die bis jetzt ohne Beispiel gewesen war. Doch selbst noch auf Unkosten der Liebe gab er den Eingebungen seines Edelmuths Gehör: er

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft5_098.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)