Seite:De Thalia Band1 Heft3 137.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

sein, daß ich dort und da meine Phantasieen strengern Vernunftschlüßen unterschiebe, daß ich Wallungen meines Blutes, Ahndungen und Bedürfnisse meines Herzens für nüchterne Weisheit verkaufe, auch das, mein Guter, soll mich dennoch den verlorenen Augenblik nicht bereuen lassen. Es ist wirklicher Gewinn für die allgemeine Vollkommenheit, es war die Vorhersehung des weisesten Geistes, daß die verirrende Vernunft auch selbst das chaotische Land der Träume bevölkern, und den kahlen Boden des Widerspruchs urbar machen sollte. Nicht der mechanische Künstler nur, der den rohen Demant zum Brillanten schleift – auch der andre ist schäzbar, der gemeinere Steine bis zur scheinbaren Würde des Demants veredelt. Der Fleiß in den Formen kann zuweilen die massive Wahrheit des Stoffes vergessen lassen. Ist nicht jede Uebung der Denkkraft, jede feine Schärfe des Geistes eine kleine Stuffe zu seiner Vollkommenheit, und jede Vollkommenheit mußte Dasein erlangen in der vollständigen Welt. Die Wirklichkeit schränkt sich nicht auf das absolut nothwendige ein: sie umfaßt auch das bedingungsweise nothwendige; jede Geburt des Gehirnes, jedes Gewebe des Wizes hat ein unwidersprechliches Bürgerrecht in diesem größeren Sinne der Schöpfung. Im unendlichen Riße der Natur durfte keine Thätigkeit ausbleiben, zur

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft3_137.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)