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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

Genuß so vollwichtig wären, als die meiner übrigen Brüder. Jezt sah ich ein, daß eine Schichte über dieser Atmosphäre ich gerade so viel und so wenig gelte, als die Beherrscher der Erde. Raphael schnitt alle Bande der Uebereinkunft und der Meinung entzwei. Ich fühlte mich ganz frei – denn die Vernunft, sagte mir Raphael, ist die einzige Monarchie in der Geisterwelt, ich trug meinen Kaisertron in meinem Gehirne. Alle Dinge im Himmel und auf Erden haben keinen Werth, keine Schäzung, als soviel meine Vernunft ihnen zugesteht. Die ganze Schöpfung ist mein, denn ich besitze eine unwidersprechliche Vollmacht sie ganz zu genießen. Alle Geister – eine Stufe tiefer unter dem vollkommensten Geist – sind meine Mitbrüder, weil wir alle einer Regel gehorchen, einem Oberherrn huldigen.

Wie erhaben und prächtig klingt diese Verkündigung! Welcher Vorrath für meinen Durst nach Erkenntniß! aber – unglükseliger Widerspruch der Natur – dieser freie emporstrebende Geist ist in das starre unwandelbare Uhrwerk eines sterblichen Körpers geflochten, mit seinen kleinen Bedürfnissen vermengt, an seine kleinen Schiksale angejocht – dieser Gott ist in eine Welt von Würmern verwiesen. Der ungeheure Raum der Natur ist seiner Thätigkeit aufgethan, aber er darf nur nicht zwo Ideen zugleich denken. Seine Augen tragen ihn bis zu dem Sonnenziele der Gottheit, aber er selbst muß erst träge und mühsam

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft3_108.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)