Seite:De Thalia Band1 Heft3 105.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

und ich bin auf dem Wege meine Erschaffung zu beweinen.

Erschaffung? – Nein, das ist ja nur ein Klang ohne Sinn den meine Vernunft nicht gestatten darf. Es gab eine Zeit, wo ich von nichts wußte, wo von mir niemand wußte, also sagt man, ich war nicht. Jene Zeit ist nicht mehr, also sagt man, daß ich erschaffen sei. Aber auch von den Millionen die vor Jahrhunderten da waren, weis man nun nichts mehr, und doch sagt man, sie sind. Worauf gründen wir das Recht den Anfang zu bejahen und das Ende zu verneinen? Das Aufhören denkender Wesen, behauptet man, widerspricht der unendlichen Güte. Entstand denn diese unendliche Güte erst mit Schöpfung der Welt? – Wenn es eine Periode gegeben hat wo noch keine Geister waren, so war die unendliche Güte ja eine ganze vorhergehende Ewigkeit unwirksam? Wenn das Gebäude der Welt eine Vollkommenheit des Schöpfers ist, so fehlte ihm ja eine Vollkommenheit vor Erschaffung der Welt? Aber eine solche Voraussezung widerspricht der Idee des vollendeten Gottes, also war keine Schöpfung – Wo bin ich hingerathen, mein Raphael? – Schreklicher Irrgang meiner Schlüsse! Ich gebe den Schöpfer auf, sobald ich an einen Gott glaube. Wozu brauche ich einen Gott, wenn ich ohne den Schöpfer ausreiche?

Du hast mir den Glauben gestohlen, der mir Frieden gab. Du hast mich verachten gelehrt, wo ich

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft3_105.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)