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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

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     Nein, ein höh’res Gut gieng mir in dir verlohren,

     Ach! du warst dazu gebohren
     aller deiner Freunde Stolz zu sein!
Nein, dem Geiste der auf deinen Lippen schwebte
deines Umgangs holden Zaubereyn,

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und der Seele die in deinen Bliken lebte

sollen meine Thränen ewig heilig sein!

Nur die guten Menschen die dich kannten
sind es werth, sich deinem Sarg zu nahn,
sie nur dürfen stolz sein daß sie dich verstanden,

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daß sie deinen ganzen Werth empfanden,

daß sie deine schöne Seele sahn;
dürfen klagen, daß auf ihrer Bahn
sie dich nur – für Augenblike fanden:
dürfen weinen, daß der Tod die Freundschaftsbanden

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ach! so bald zerriß! – Wohl mir, daß ich’s kann!

Weh mir, daß ich’s muß! – – –

Nie vergess’ ich, was du mir gewesen!
Ach! warum bist du sobald der Welt entflohn?
     Deine Seele war ein schöner Ton

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     in der großen Harmonie der Wesen;

Ach! Warum verhallt er schon?
     Deines Lebens lezter Tag,
     sanft verhallt er wie der Flöte
     leises schwärmerisches „Ach!“ –

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     Doch ihm folgte mit der neuen Morgenröthe,

     ja ein schönrer nach.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft3_098.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)