Seite:De Thalia Band1 Heft2 130.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

Leiden preiß gegeben: Nirgends ein Ausweg! nirgends Trost oder Hülfe! –

Jezt durchschimmert ein sanftes Helldunkel seine Zelle; Er versucht es, sein mattes Haupt langsam aufzurichten, aber – Wehmuth und Kummer drüken es wieder nieder! Endlich gelingt es ihm: und er sieht – o der sanften, ihm so lange schon fremden Freude, die sein Herz durchbebt! – er sieht eine Reihe künftiger Wonnescenen vor seinem Blike aufgestellt! Bild auf Bild fliegt vor seinem Auge vorüber; immer eines frölicher als das andre. Welches glänzende üppige Farbenspiel! – denn auf die Farbenmischung verstehst du dich meisterlich! – wie scharf die Umrisse, wie täuschend die Haltung, wie lebendig und wahr alles!

Hingerissen, außer sich springt er auf: seine Pulse schlagen rascher, sein Herz klopft hoch empor, seine Brust wird enger, jede Nerve gespannter, die Muskeln seines Gesichts verziehen sich in ein heiteres Lächeln, er starrt mit gierigen Blicken hin, und eine Freudenthräne zittert in seinem Auge! –

Plözlich tritt die Wirklichkeit mit ihrem ernstern Antliz hinzu, und berührt mit dem ehernen Stabe deine Zauberlaterne: das Licht verlöscht, und mit ihm verschwinden alle die frölichen Bilder, alle die glänzenden Farben! sein Blut stokt, seine Nerven erschlaffen; das Lächeln, das sein Antliz erheiterte, die Freude, die sein Herz durchbebte, der Muth, der seine Pulse beflügelte, –

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_130.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)