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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

und hörte glückliche und unglückliche Zeitungen mit der nämlichen ernsten Gelassenheit an. Seine Schwärmerei war kalt – er wollte nur eine Leidenschaft – den Schrecken einflößen. Seine Befehle waren wie die Aussprüche des Schicksals, die ohne menschliche Kräfte vollstreckt werden, und unwiderruflich sind. Das Blut seiner Unterthanen ließ er stromweiß fließen, die Flamme des Kriegs verbreitete er über alle benachbarte Staaten, stets war er bewaffnet, seine Unterthanen oder Feinde zu schlagen. Selbst sein Sohn, der damals einzige Erbe seiner Staaten, konnte sein unbiegsames Herz nicht bewegen. Wenn die Beledigung geschehen war, so war die Strafe nothwendig. Nie schmeckte er die Wollust zu vergeben; in einer zwei und vierzigjährigen Regierung genoß er die Süßigkeit des Friedens auch nicht einen Tag. Seine Minister, seine Generale, seine Günstlinge näherten sich ihm nicht anders als zitternd, redeten nicht anders als knieend und mit der größten Behutsamkeit mit ihm. Er foderte dieses ernsthafte Ansehen auch von seinem Volk. Das schreckliche Inquisitionsgericht wachte unaufhörlich, jene unschuldige Freude, die den Reiz der Freiheit ausmacht, aus seinen Staaten zu verbannen. Er besaß alle Eigenschaften zu einem großen Staatsmann – einen lebhaften Geist, ein erstaunendes Gedächtniß, eine unermüdete Arbeitsamkeit; er wußte die Menschen vollkommen zu beurtheilen, und nach ihren Talenten zu gebrauchen. Er war gerecht, großmüthig, an seinem Hofe prächtig, in seinen Anschlägen

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_103.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)