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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

Frankreich selbst würde ganz protestantisch geworden seyn, ohne die unvorsichtige Heftigkeit, zu welcher ihr Eifer die Reformatoren verleitete. Ihr Troz während des Kolloquiums zu Poissi, ihre wenig politische Unbiegsamkeit entzog ihrer Lehre den Ruhm ein ganzes Reich eingenommen zu haben und muß ihnen noch heute gereuen. Denn welche Reihe von glüklichen Vorfällen mußte auf einen so wichtigen Fortschritt gefolgt seyn!

Während dieser Streitigkeiten hatte die scholastische Theologie, dieses vielköpfige Ungeheuer, die Alleinherrschaft über die Welt. Sie predigte jene frechen Säze, welche die Vernunft schreken und niederdrüken. Sie lieferte die Menschen irdischen Flammen, und damit noch nicht zufrieden, lies sie die Scheiterhaufen der Inquisition bis in die Ewigkeit fortdauern. Kein tröstendes Licht über die Rechte der Menschen, weder in bürgerlichen noch in politischen Verhältnissen. Alles, bis auf die Geschichte und die schönen Wissenschaften, trug das finstre Gepräg der Schule, alles unterlag einem überall verbreiteten Geist von Wuth, von Intoleranz, und von theologischem Geschwäz. Mit verbundenen Augen, in eine Mönchskutte verhüllt, die Fakel in der Hand, streifte der Fanatismus durch Europa.

Philipps Ehrgeiz und Barbarei machten die Finsterniß noch dichter. Er legte es darauf an, dem Menschen seine unverlezbarsten Rechte zu entreissen und alle Pflichten, alle Tugenden, alle Kenntnisse zu vertilgen.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_092.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)