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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

Der ganze Gang der Intrigue wird, wie ich mir einbilde, schon in diesem ersten Aufzug verrathen seyn. Wenigstens war das meine Absicht, und ich halte es für das erste Requisit der Tragödie. Beide Hauptkaraktere laufen hier schon mit derjenigen Kraft, und nach derjenigen Richtung aus, welche den Leser errathen läßt, wo und wann und wie heftig sie in der Folge widereinander schlagen.

Ein vollkommenes Drama soll, wie uns Wieland sagt, in Versen geschrieben seyn, oder es ist kein vollkommenes, und kann für die Ehre der Nation gegen das Ausland nicht konkurrieren. – Nicht als ob ich auf das leztere Anspruch machte, sondern weil ich die Wahrheit jenes Ausspruchs überzeugend erkannte, habe ich diesen Karlos in Jamben entworfen. Aber in reimfreien Jamben – denn ich unterschreibe Wielands zweite Foderung, daß der Reim zum Wesen des guten Dramas gehore, so wenig, daß ich ihn vielmehr für einen unnatürlichen Luxus des französischen Trauerspiels, für einen trostlosen Behelf jener Sprache, für einen armseligen Stellvertreter des wahren Wohlklangs erkläre – in der Epopee versteht sichs, und in der Tragödie. So bald uns die Franzosen ein Meisterstück dieser Gattung in reimfreien Versen zeigen, so geben wir ihnen ein ähnliches in gereimten.

Der Leser wird sich selbst und dem Dichter nüzen, wenn er vor Lesung dieser Fragmente die Geschichte des Dom Karlos, Prinzen von Spanien,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft1_099.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)