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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

zerschlägt, kann mich schaudern, aber schwerlich weinen machen. Eine Fürstin wiederum, deren Herz, deren ganze weibliche Glückseligkeit einer traurigen Staatsmaxime hingeschlachtet worden, die durch die Leidenschaft des Sohns und des Vaters gleich unmenschlich gemishandelt wird, kann mir wohl Murren gegen Vorsicht und Schicksal, Zähneknirschen gegen weltliche Konvenzionen abnöthigen, aber wird sie mir auch wohl Tränen ablocken? – Wenn dieses Trauerspiel schmelzen soll, so muß es – wie mich däucht – durch die Situation und den Karakter König Philipps geschehen. Auf der Wendung, die man diesem gibt, ruht vielleicht das ganze Gewicht der Tragödie. Mein Plan ist auf gleiche Art vereitelt, wenn ich bei Philipps Darstellung den französischen Skribenten folge, als wenn ich bei Karlos Schilderung den Ferreras zum Grund legte. Man erwartet – ich weiß nicht welches? Ungeheuer, so bald von Philipp dem Zweiten die Rede ist – mein Stück fällt zusammen, sobald man ein solches darinn findet, und doch hoffe ich der Geschichte – das heißt der Kette von Begebenheiten – getreu zu bleiben. Es mag zwar ein gothisches Ansehen haben, wenn sich in den Gemählden Philipps und seines Sohns zwei höchst verschiedne Jahrhunderte anstoßen, aber mir lag daran, den Menschen zu rechtfertigen, und konnt’ ich das wohl anders und besser als durch den herrschenden Genius seiner Zeiten?

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft1_098.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)