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der Formen von Erregungssteigerung handelt es sich aber um ungleichmässige Uebererregung, welche der Leistungsfähigkeit direct abträglich ist. Wir bezeichnen das als „Aufregung“. Es ist nicht unbegreiflich, sondern in Analogie mit andern Regulationen des Organismus, wenn in ihm das Bestreben besteht, das Optimum der Erregung festzuhalten und wieder zu erreichen, nachdem es überschritten worden ist.

Es sei erlaubt, hier nochmals auf den Vergleich mit einer elektrischen Beleuchtungsanlage zurückzugreifen. Auch die Spannung in dem Leitungsnetz einer solchen hat ein Optimum; wird dieses überschritten, so wird leicht die Function geschädigt, indem z. B. die Glühfäden rasch durchbrennen. Von der Schädigung der Anlage selbst durch Störung der Isolation und „kurzen Schluss“ wird später noch die Rede sein.




B. Unsere Sprache, das Resultat der Erfahrung vieler Generationen, unterscheidet mit wundernswerter Feinheit jene Formen und Grade der Erregungssteigerung, welche der geistigen Thätigkeit noch nützlich sind, weil sie die freie Energie aller Hirnfunctionen gleichmässig erhöhen, von jenen, welche dieselben beeinträchtigen, weil sie in ungleichmässiger Weise die psychischen Functionen theils erhöhen, theils hemmen.

Sie nennt die ersteren Anregung, die letzteren Aufregung. Ein interessantes Gespräch, Thee, Kaffee, regen an; ein Streit, eine grössere Dosis Alkohol regen auf. Während die Anregung nur den Trieb nach functioneller Verwertung der gesteigerten Erregung wachruft, sucht sich die Aufregung in mehr weniger heftigen, an’s Pathologische streifenden oder wirklich pathologischen Vorgängen zu entladen. Sie macht die psychisch-physische Grundlage der Affecte aus, und von diesen soll im folgenden die Rede sein. Vorher sind aber noch physiologische, endogene Ursachen der Erregungssteigerung flüchtig zu berühren.

Solche sind zunächst die grossen physiologischen Bedürfnisse und Triebe des Organismus, der Sauerstoffhunger, der Nahrungshunger und der Durst. Da sich die Aufregung, welche sie setzen, mit bestimmten Empfindungen und Zielvorstellungen verknüpft, ist sie nicht so rein als Steigerung der Erregung zu beobachten wie die oben besprochene, welche nur der Ruhe der Hirnelemente entspringt. Sie hat immer

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Sigmund Freud, Josef Breuer: Studien über Hysterie. Franz Deuticke, Leipzig und Wien 1895, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Studien_%C3%BCber_Hysterie_173.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)