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wohl aber sprach alles dafür, dass die bereits vorhandene Abasie auf diesem Wege eine wesentliche Verstärkung erfahren hatte. Demnach war diese Abasie in dem Stadium der Entwicklung, in dem ich sie antraf, nicht nur einer psychischen associativen Functionslähmung, sondern auch einer symbolischen Functionslähmung gleichzustellen.

Ich will, ehe ich die Geschichte meiner Kranken fortsetze, noch ein Wort über ihr Benehmen während dieser zweiten Periode der Behandlung anfügen. Ich bediente mich während dieser ganzen Analyse der Methode, durch Drücken auf den Kopf Bilder und Einfalle hervorzurufen, einer Methode also, die ohne volles Mitarbeiten und willige Aufmerksamkeit der Kranken unanwendbar bleibt. Sie verhielt sich auch zeitweilig so, wie ich es nur wünschen konnte, und in solchen Perioden war es wirklich überraschend, wie prompt und wie unfehlbar chronologisch geordnet die einzelnen Scenen, die zu einem Thema gehörten, sich einstellten. Es war, als läse sie in einem langen Bilderbuch, dessen Seiten vor ihren Augen vorübergezogen würden. Andere Male schien es Hemmnisse zu geben, deren Art ich damals noch nicht ahnte. Wenn ich meinen Druck ausübte, behauptete sie, es sei ihr nichts eingefallen; ich wiederholte den Druck, ich hiess sie warten, es wollte noch immer nichts kommen. Die ersten Male, als sich diese Widerspenstigkeit zeigte, liess ich mich bestimmen, die Arbeit abzubrechen; der Tag sei nicht günstig; ein andermal. Zwei Wahrnehmungen bestimmten mich aber, mein Verhalten zu ändern. Erstens, dass sich solches Versagen der Methode nur ereignete, wenn ich Elisabeth heiter und schmerzfrei gefunden hatte, niemals, wenn ich an einem schlechten Tag kam: zweitens, dass sie eine solche Angabe, sie sehe nichts vor sich, häufig machte, nachdem sie eine lange Pause hatte vergehen lassen, während welcher ihre gespannte und beschäftigte Miene mir doch einen seelischen Vorgang in ihr verrieth. Ich entschloss mich also zur Annahme, die Methode versage niemals, Elisabeth habe unter dem Druck meiner Hand jedesmal einen Einfall im Sinne oder ein Bild vor Augen, sei aber nicht jedesmal bereit, mir davon Mittheilung zu machen, sondern versuche das Heraufbeschworene wieder zu unterdrücken. Von den Motiven für solches Verschweigen konnte ich mir zwei vorstellen; entweder Elisabeth übte an ihrem Einfall eine Kritik, zu der sie nicht berechtigt war, sie fand ihn nicht wertvoll genug, nicht passend als Antwort auf die gestellte Frage, oder sie scheute sich ihn anzugeben, weil – ihr solche Mittheilung zu unangenehm war. Ich gieng also

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Sigmund Freud, Josef Breuer: Studien über Hysterie. Franz Deuticke, Leipzig und Wien 1895, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Studien_%C3%BCber_Hysterie_133.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)