Seite:De Storm Zur Chronik von Grieshuus 129.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

     Der Oberst saß am Tisch inmitten des Zimmers; eine Flasche rothen Weines stand noch vom Abend halb gefüllet neben ihm; er saß bleich und matt in seinem Schafpelz auf dem Sessel, sein altes Uebel plagte ihn itzo sehr. »Abel,« sprach er, »warum kommst Du mitten in der Nacht? Hast Du Unfrieden gehabt mit Deinen Leuten?« 

     Aber sie schüttelte den Kopf. »Der Wildmeister war in der Stadt!« sagte sie hastig; »aber er wollte erst ein Pferd sich suchen. Da bin ich ihm vorausgelaufen; denn die Schweden haben die Pferde all genommen! Lasset die Knechte wecken, Herr Oberst!« rief sie, indem sie ihm zu Füßen stürzte, »nehmet den besten; er muß reiten, über die Haide und durch die Wälder nach dem Fluß hinunter; aber keine Viertelstunde ist zu verlieren!« 

     »Was soll das?« sagte der Oberst. »Reiten? Und itzo in der Nacht? Du hast die schlimmen Tage wohl vergessen? Die Kerle fürchten den Teufel oder was sonst heute umgehen soll; ja, wenn der Wildmeister wirklich wieder da wäre!« 

     Abel hob ihr bleiches Haupt: »Der kommt zu spät, Herr Oberst! – So gebet mir ein Pferd! Gott wird mir helfen.« 

     »Das ist nicht Weibersache. Aber weshalb soll denn geritten werden? Das müssen wir doch zuerst wissen!«

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_129.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)