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Wölfen kommen, deren derzeit im Uebermaße hier gewesen; und ich hab’ noch lang gelegen und gehorchet; mir war, als könnten sie durch die offene Thorfahrt kommen und mit den Tatzen meine Thür anfallen.

     Als ich am Morgen dem Junker Rolf davon erzählte, sprach er: »Da in der Haide müssen Sie itzt nimmer gehen, Herr Magister; ich bin zu Pferde dort gewesen und doch fast vom Leben abgekommen!« 

     Und auf meine Bitte hat er es also mir erzählet: Eine grimmige Kälte ist es dazumal gewesen, am Nachmittage vor dem letzten Heiligabend, zwei Wochen nur vor meiner Herkunft, und wie bleicher Messingglanz hat die Dezembersonne über die Haide hingeglinstert. Droben in dem großen Saale hat die Tante Heide herumgehamstert, ganz mutterseelenallein, und hat Niemand hinein dürfen, weder vom Gesinde, noch auch der Junker Rolf, wohl selber kaum der Oberst; denn für Alle ist da drinnen die Weihnachtsbescheerung aufgebauet worden; der Vetter nur ist eigenwillig aus- und eingehuschet; denn er hat’s gar besser noch verstanden, als die Tante. Junker Rolf aber ist vor Ungeduld Trepp auf und abgesprungen auch auf den Hof und in die Ställe eingelaufen und zuletzt dann in des Oberst Zimmer, wo dieser mit dem Verwalter vor der Gutsrechnung gesessen: »Was soll ich anfangen, Papa? Um 5 Uhr erst will Tante Heide schellen!« 

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Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_087.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)