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eben jetzt die schlimmen Tage wären! – Unwillkürlich hielt es mich zurück: ein Aberglaube schwebte über dieser Haide, der letzte Schatten eines düsteren Menschenschicksals, womit ein altes Geschlecht von der Erde verschwunden war. Es sollte eine Zeit im Jahre geben oder einst gegeben haben, wo dem, welcher nach Sonnenuntergang dies Thal durchschritt, etwas Furchtbares widerfuhr, das die Kraft seines Lebens abstumpfte, wenn nicht gar völlig austhat.

     Auch war nicht Alles Sage; man wußte noch von Denen, welche als die Letzten hier gehaust hatten, wo jetzt der Sturm über die Haide fegte. Zum Theil lag es in alten Archiven, und es kam jeweilig bei dem Aufsuchen eines vergrabenen Dokumentes mit diesem oder jenem Brocken an das Tageslicht; anderes hatten die Augen der damals Lebenden gesehen, oder ein Wort, ein Ton, den man zu deuten wußte, hatte hier oder dort die Luft ihnen zugetragen; und an Winterabenden, hinter dem Bierkrug wie am Spinnrad, nicht nur im Dorfe, auch drüben in der Stadt, saß man beisammen und erzählte und fügte scheinbar sich Fernliegendes aneinander, von den Urahnen herab bis fast an den heutigen Tag; denn außer auf einem, gar bald fürstlich und dann königlich gewordenen Gute hatte kein anderes Adelsgeschlecht in unserer Nachbarschaft gesessen.




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Theodor Storm: Zur Chronik von Grieshuus. Berlin: Paetel, 1885 (2. Auflage), Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Zur_Chronik_von_Grieshuus_010.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)