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„Hab’s noch nicht gelesen;“ sagte der Alte; „sind zu viel Lungenfieber in der Stadt jetzt.“

„Auch vererbte?“ frug ich.

„Wie meinen Sie?“

„Lesen Sie es selbst,“ sagte ich und reichte ihm das Blatt, „hier sieht’s; Alles ist vererblich jetzt: Gesundheit und Krankheit, Tugend und Laster; und wenn einer der Sohn eines alten Diebes ist und stiehlt nun selber, so soll er dafür nur halb so lange ins Loch, als andre ehrliche Spitzbuben, die es aber nicht von vaterswegen sind!“

„Ja so,“ sagte der alte Herr nachdem er einen Blick in die geworfen hatte; „es sollte wohl so sein; aber so ist es bis jetzt noch nicht.“

Ich sah ihn an: „Ist das Ihr Ernst, Herr Doctor?“

„Ei freilich, Capitän; den mitschuldigen Vorfahren müßte gerechter Weise doch wenigstens ein Theil der Schuld zugerechnet werden, wenn auch die Strafe an ihnen nicht mehr vollziehbar oder schon vorzogen ist. Wissen Sie nicht, daß selten ein Trinker entsteht, ohne daß die Väter auch dazu gehörten? Diese Neigung ist vor Allem erblich.“

Ich wollte reden; aber er fuhr fort. „Ja, ja, ich weiß wohl, die Erziehung der Jugend, wenn sie

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Theodor Storm: John Riew’. Berlin: Paetel, 1886, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_John_Riew_081.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)