Pfundsmaaß hübscher haben! Ich meinte, daß die Anna Geyers bei Ihnen nähte?“
„Ja,“ sagte die Aelteste und wischte sich den Thränenrest von ihren Backen, „die ist freilich hübscher.“
- „Steht Ihnen das Mädchen denn nicht an?“
„O, – wir haben sie ja schon gehabt.“
- „Und Sie wollen sie nicht wieder haben? Das thut mir leid, sie ist so halbwege ja mein Ziehkind.“
„Ja; aber …“ Sie bückte sich über ihre Näherei und kam nicht an Bord mit ihrem Satze.
- „Schießen Sie los, Mamsellchen.“ sagte ich. „Helles Feuer ist das Beste. Die Anna soll doch ihre Arbeit gut verstehen; hat sie gestohlen, oder wo steckt denn sonst der Fehler?“
„Nun, Herr Riew’,“ sagte die Jüngere und luvte mich mit ihren kleinen unverschämten Augen an; „gestohlen nun wohl nicht; es ist nur Eins!“
Die Aeltere winkte ihr zu und schüttelte den Kopf; aber das schwarze Ding ließ sich nicht übersegeln. „Ich will es Ihnen sagen, Herr Riew’, sie hat für uns zu vornehme Bekanntschaften; wir sind ehrliche Bürgermädchen; mit Grafen und Posamentiergesellen haben wir nicht gern zu thun; auch nicht mal durch die dritte Hand. Und das noch nicht allein!“
Theodor Storm: John Riew’. Berlin: Paetel, 1886, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_John_Riew_052.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)