Dagmar! Da nimmt Dein Vater Dich mit hinaus, nach Wordingborg, nach Kopenhagen! Da kommen die jungen Erdensöhne und werden um einen Blick der keuschen Göttin werben; auch einer, wohl so schön als wie der junge Ritter Lembeck, der letzt auf Dorning eingezogen ist!“
„Auf Dorning?“ frug Dagmar achtlos. „Der Ritter Claus ist ja schon alt!“
- „Ei, Kind! Sein Sohn, sein ältester! Und mit einem schönen, stolzen Weibe; gar einer Schauenburgerin!“
„So? Einer Schauenburgerin?“
- „Ei freilich; aber doch nur einer Wittib - ein Pfirsich, d’ran schon ein Todter seine Lippen setzte!“
„Pfui, Bas’! Aber ich kenne sie ja nicht; was kümmern mich die fremden Menschen!“
Dagmar war schon mit der Schelle an die Thür gegangen, kehrte aber zurück, ohne sie geöffnet zu haben. „Nein, Bas’,“ sagte sie mühsam; „mir ist das Herz bedrückt; ich muß ins Freie, in die Luft!“
- „Ei, Kind, es wird ja Nacht, und Du weißt, der alte Joseph sagt, die Unholden schauen dann aus dem Boden!“
„Nur in den Garten, Bas’; da giebt es keine!“
Theodor Storm: Ein Fest auf Haderslevhuus. Berlin: Paetel, 1886, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Ein_Fest_auf_Haderslevhuus_157.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)