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todtenstill; ein Kauz nur schrie von einem Thurm herunter. Plötzlich warf sie jäh das Fenster zu und sah sich wild im Zimmer um: das Haupt des Todten, dem sie hatte sterben helfen, hatte aus der Nacht sie angestarrt. Doch, es war nicht hereingekommen; die Kerzen brannten hell und ruhig.

Und wieder saß sie unbeweglich, und die Qual vergebenen Harrens war nicht mehr zu tragen. Da gedachte sie eines Wundergürtels, den eine uralte Muhme ihr zum ersten Ehefeste mitgegeben hatte. „Es ist derselbe,“ hatte sie gesagt, „den einst der Ritter an Ginevra gab; so Du ihn umlegst, thut Dir kein Leid was an!“ Aber die stolze Braut hatte derzeit Zaubermittel nicht vonnmöthen und warf den Gürtel achtlos von sich. Doch nun war andere Stunde; sie kniete bald vor dieser, bald vor jener Truhe und warf um des verschmähten Kleinods willen ihre Kostbarkeiten durcheinander; da endlich hielt sie den goldgewebten Gürtel in der Hand, und dort saß der Rubin, vor dessen Schein all’ Ungemach verschwinden sollte. Sie legte ihn über ihr weißes Nachtgewand, und er schmiegte sich leicht um ihre Hüften; aber vergebens sah sie auf den milden Glanz des Steines; der mußte gegen andere Schmerzen sein.

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Theodor Storm: Ein Fest auf Haderslevhuus. Berlin: Paetel, 1886, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Ein_Fest_auf_Haderslevhuus_149.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)