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sie sah noch keinen, dem sie sich jetzt ergeben mochte.

Da, an einem Frühlingsmorgen, trat Rolf Lembeck mit seinem Vater zu ihr ins Gemach. Die Stunde war vorher bestimmt, und lange, mit steigendem Herzschlag, war sie auf und ab geschritten; doch als die jugendlichen Gestalten sich jetzt gegenübertraten, fehlte nach der feierlichen Verneigung beiden das Wort der Anrede; wie erschrocken über ihre Schönheit schauten sie sich an.

Claus Lembeck lächelte in seinen Bart. „Mein Sohn Rolf Lembeck, edle Fraue!“ sagte er, „dem, wie ich sehe, der Anblick Eurer Schöne schier den Mund verschlossen hat.“

Sie athmete tief auf: „Ihr scherzet, Herr Marschall; Euer edler Sohn hat der Frauen wohl schönere gesehen zu Paris und draußen in dem Reich!“

Aber Rolf Lembeck rief: „Verzeihet, viel schöne Frauen, doch keine Schauenburgerin!“ Und beider Blicke sanken ineinander.

Dem alten Ritter gefiel es wohl, daß er eine Weile schier vergessen dastand. Dann aber sprach er; "Ich seh genugsam Euren Willen; doch ist des Schreibers Kunstwerk itzt dazu vonnöthen!“

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Theodor Storm: Ein Fest auf Haderslevhuus. Berlin: Paetel, 1886, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Ein_Fest_auf_Haderslevhuus_113.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)