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zu ernennen, oder bei städtischen Vorstandsbestellungen, wenn der Vorschlag dazu nach dem Herkommen von den Magistraten geschieht, die Bestätigung zu ertheilen. Von diesen Ernennungen oder Bestätigungen haben sie jedesmal Unseren Regierungen Anzeige zu thun, welche, insofern sie bei den gewählten Personen erhebliche Anstände finden sollten, deßfalls an Unser Staatsministerium zu berichten haben.

Ueberzeugt sich diese Unsere höchste Staatsbehörde davon, daß die getroffene Wahl nicht geeignet sey, so hat sie den Standesherrn zu Ernennung eines andern Subjects aufzufordern, und der Standesherr ist alsdann dieser Aufforderung zu entsprechen verbunden.

§. 44.

Hinsichtlich der Ernennung zu den Stellen der dermalen bestehenden Physicats- und andern Local-Sanitäts-Beamten, bleibt es bei dem § 5. des Nachtrags zu Unserer Declaration vom 1ten August 1807. Sollten Wir Uns veranlaßt finden, die Anstellung mehrerer Amts-Aerzte, Amts-Wund-Aerzte oder Thierärzte anzuordnen, so steht ihre Ernennung nur alsdann den Standesherrn zu, wenn sie die Besoldung derselben übernehmen, oder solche aus öffentlichen Stiftungs-Gütern entnommen wird, welche unter der Disposition der Standesherrn stehen. Jedenfalls können die Standesherrn zu den bemerkten Local-Sanitäts-Beamten-Stellen nur solche Subjecte ernennen, welche von Unseren Behörden auf gesetzliche Weise geprüft und für fähig erklärt worden sind; auch haben sie desfalls Unsere Bestätigung einzuholen.

§. 45.

Die Standesherrn haben unter Beobachtung Unserer Landesgesetze das Recht, eingeborne Unterthanen in die Gemeinden ihrer Standesherrschaften aufzunehmen, oder deren Aufnahme zu verweigern; beides unter Vorbehalt des an Unsere höhere Behörden zu nehmenden Recurses. Ebenso können die Standesherrn, jedoch unter ihrer Verantwortlichkeit, fremden Personen auf höchstens ein Jahr, und ohne weitere Verlängerung, temporären Aufenthalt gestatten, und Unterthanen, welche in einen andern Theil Unserer Lande überziehen wollen, aus dem Gemeinde-Verband entlassen. Die Aufnahme von Ausländern in standesherrliche Gemeinden, sowie die Aufnahme von fremden Juden, können die Standesherrn bewilligen, jedoch unter dem Vorbehalt, daß die Aufzunehmenden zuvor bei Unseren Staats-Behörden das Staats-Indigenat[WS 1] erhalten. Die Entlassung von Gemeinde-Gliedern in's Ausland können die Standesherrn nur alsdann bewilligen, wenn der auswandern Wollende die Entlassung aus dem Unterthanen-Verband bei Unseren Behörden ausgewirkt hat.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Staats-Indigenat = Einbürgerung.
  2. Empfohlene Zitierweise:
    Großherzog Ludwig I.: Edict, die standesherrlichen Rechts-Verhältnisse im Großherzogthum Hessen betreffend.. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1820 Nr. 17 S. 125-160. Darmstadt 1820, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Standesherrliche_Rechtsverh%C3%A4ltnisse_(Gro%C3%9Fh_Hess)(1820)_145.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2016)