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Moor. Hört ihrs wohl? Habt ihr den Seufzer bemerkt? Steht er nicht da, als wollte er Feuer vom Himmel auf die Rotte Korah herunter beten, richtet mit einem Achselzucken, verdammt mit einem christlichen Ach! – Kann der Mensch denn so blind seyn? Er, der die hundert Augen des Argus hat Flecken an seinem Bruder zu sphäen, kann er so gar blind gegen sich selbst seyn? – Da donnern sie Sanfftmuth und Duldung aus ihren Wolken, und bringen dem Gott der Liebe Menschenopfer wie einem feuerarmigen Moloch – predigen Liebe des Nächsten, und fluchen den achzigjährigen Blinden von ihren Thüren hinweg: – stürmen wider den Geiz und haben Peru um goldner Spangen willen entvölkert und die Heyden wie Zugvieh vor ihre Wagen gespannt – Sie zerbrechen sich die Köpffe wie es doch möglich gewesen wäre, daß die Natur hätte können einen Ischariot schaffen, und nicht der schlimmste unter ihnen würde den dreyeinigen Gott um zehen Silberlinge verrathen. – O über euch Pharisäer, auch Falschmünzer der Wahrheit, euch Affen der Gottheit! Ihr scheut euch nicht vor Kreuz und Altären zu knien, zerfleischt eure Rücken mit Riemen, und foltert euer Fleisch mit Fasten; ihr wähnt mit diesen erbärmlichen Gaukeleyen demjenigen einen blauen Dunst vorzumachen, denn ihr Thoren doch den allwissenden nennt, nicht anders als wie man der Großen am bittersten

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Friedrich Schiller: Die Räuber. Frankfurt und Leipzig: 1781, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Schiller_Die_R%C3%A4uber_106.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)