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Hier tritt sie als gefährlichste Bundesgenossin aller jener zahlreichen Uebel und Hemmnisse auf, die sich von Anfang an auf unsere Universitäten verschworen zu haben scheinen, um die Humanität im Keim zu ersticken. Hier legt sie die idyllische ehrbare Miene ab, wodurch sie sich in ländlichem Pfarrhause Frau und Töchtern empfiehlt, zwanglos grob, ungenirt gemüthlich wandert sie in den Auditorien aus und ein, den Mund immer offen und nur pausirend, wenn der Professor spricht und der Student Religionsphilosophie, Metaphysik, Naturlehre und andere hochdeutsche sublimia in sein Heft einträgt. Zum Teufel ihr Herren favete linguis! wie kommt die Sprache Böotiens in Minervens Tempel. Ihr könnt freilich antworten, wie kommt Minervens Tempel zu unserer Universität, die nur eine alte wankende Ruine aus dem Mittelalter ist. Recht! aber wo euer Fuß hintritt, da soll Athen sein, geweihter Boden sein – soll, sage ich, denn warum sonst haben die Götter dem jugendlichen Fuß die Sehne der Ungeduld und des heiligen Zorns verliehen, die mit einem Tritt zerstampft, was das Alter mit beiden Händen nicht aus dem Wege schaffen kann, warum anders, als damit ihr Schöneres, Besseres, Heiligeres aus dem Boden zaubern sollt. Ihr versteht mich nicht? Ich verstehe euch auch nicht, ich verstehe die edle norddeutsche Jugend nicht, die sich auf dem Musensitz einer Sprache bedient, die dem Dunkel des Geistes, der Barbarei vergangener Zeiten angehört. Macht es dieser Jugend Scherz, ihre eigenen Studien, das akademische Leben, den dürren Scholästizismus und die Pedanterie des akademischen Instituts zu parodiren, zu travestiren, so sehe ich allerdings weder großen Uebermuth in diesem Scherze, noch verkenne ich, wie sehr die plattdeutsche Sprache, ja schon ihr Klang, zu diesem Zweck sich eignet[1]; allein Scherz muß Scherz, das heißt flüchtig und wechselnd bleiben, und wenn derselbe Scherz und dieselbe


  1. Wo willst Du hin, fragte Jemand einen Meklenburgischen Scholaren, der gerade auf den Postwagen stieg. Die Antwort war: Na Rostock, ik will mi op de Wissenschaften leggen.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Ludolf Wienbarg: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden?. Hoffmann und Campe, Hamburg 1834, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Platt_pflegen_(Wienbarg)_033.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)