dazu bestimmt, wahre Naturwunder: Haben weder Gehirn noch Rückgrat. –
Minuten stummer Bewunderung, dann schwimmen alle friedlich weiter.
Die Geräusche verhallen, – Totenstille senkt sich nieder.
Die Zeit rückt vor. – Mitternacht, die Stunde des Schreckens.
Waren das nicht Stimmen? – Crevetten können es doch nicht sein, – jetzt so spät?! –
Die Wache geht um: Polizeikrebse! –
Wie sie scharren mit gepanzerten Beinen; über den Sand knirschend ihren Raub in Sicherheit bringen.
Wehe, wer ihnen in die Hände fällt; – vor keinem Verbrechen scheuen sie zurück, – – und ihre Lügen gelten vor Gericht wie Eide.
Sogar der Zitterrochen erbleicht, wenn sie nahen.
Der Seerose stockt der Herzschlag vor Entsetzen, sie, eine Dame, wehrlos, – auf offenem Platze! – Wenn sie sie erblicken! Sie werden sie vor den Polizeirat, den schurkischen Meineidkrebs, schleppen, – den größten Verbrecher der Tiefsee – und dann – und dann – –
Sie nähern sich ihr, – – jetzt – –, ein Schritt noch, und Schande und Verderben werden die Fänge um ihren Leib schlagen.
Da erbebt das dunkle Wasser, die Korallenbäume ächzen und zittern wie Tang, ein fahles Licht scheint weit hin.
Krebse, Rochen, Seeteufel ducken sich nieder und schießen in wilder Flucht über den Sand, Felsen brechen und wirbeln in die Höhe.
Eine bläulich gleißende Wand, – so groß wie die Welt, fliegt durch das Meer.
Näher und näher jagt der Phosphorschein: die leuchtende Riesenflosse der Tintorera, des Dämons der Vernichtung, fegt einher und reißt abgrundtiefe glühende Trichter in das schäumende Wasser.
Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/092&oldid=- (Version vom 31.7.2018)