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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält.

Wir sind nichts; was wir suchen, ist alles.


Auf dem Cithäron.     

Noch ahnd’ ich, ohne zu finden.

Ich frage die Sterne und sie verstummen, ich frage den Tag, und die Nacht; aber sie antworten nicht. Aus mir selbst, wenn ich mich frage, tönen mystische Sprüche, Träume ohne Deutung.

Meinem Herzen ist oft wohl in dieser Dämmerung. Ich weis nicht, wie mir geschieht, wenn ich sie ansehe, diese unergründliche Natur; aber es sind heilige seelige Thränen, die ich weine vor der verschleyerten Geliebten. Mein ganzes Wesen verstummt und lauscht, wenn der leise geheimnisvolle Hauch des Abends mich anweht. Verloren ins weite Blau, blick’ ich oft hinauf an den Aether, und hinein ins heilige Meer, und mir wird, als schlösse sich die Pforte des Unsichtbaren mir auf und ich vergienge mit allem, was um mich ist, bis ein Rauschen im Gesträuche mich aufweckt aus dem seeligen Tode, und mich wider Willen zurückruft auf die Stelle, wovon ich ausgieng.

Meinem Herzen ist wohl in dieser Dämmerung. Ist sie unser Element diese Dämmerung? Warum kann ich nicht ruhen darinnen?

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band4_220.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)