Seite:De Neue Thalia Band4 203.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält.

Ich wollte dich oft auch bitten, ruhiger zu seyn, du bist so ganz ein andrer, in deinen guten Stunden. Ich gestehe dir, ich fürchte für dich wenn ich dich so düster und heftig sehe. Nicht wahr, guter Hyperion! du legst das ab?“

Ich konnte kein Wort vorbringen. Du fühlst es wohl auch, Bruder meiner Seele! wie mir seyn mußte. Ach! so himmlisch der Zauber war, womit sie diß sprach, so unaussprechlich war mein Schmerz.

Ich habe manchmal gedacht, fuhr sie fort, woher es wohl kommen möchte, daß du so sonderbar bist. Es ist so ein schmerzlich Räthsel, daß ein Geist, wie der deinige von solchen Leiden gedrückt werden soll. Es war gewiß eine Zeit, wo er frey war von dieser Unruhe. Ist sie dir nicht mehr gegenwärtig? Könnt ich sie dir zurückbringen, diese stille Feyer, diese heilige Ruhe im Innern, wo auch der leiseste Laut vernehmbar ist, der aus der Tiefe des Geistes kömmt, und die leiseste Berührung von aussen, vom Himmel her, und aus den Zweigen, und Blumen – ich kann es nicht aussprechen, wie mir oft ward, wenn ich so dastand vor der göttlichen Natur, und alles Irrdische in mir verstummte –

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band4_203.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)