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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält.

Sowohl die Einbildungskraft als die Vernunft müssen sich mit einem gewissen Grad von Stärke äussern, wenn das Große uns rühren soll. Von der Einbildungskraft wird verlangt, daß sie ihr ganzes Comprehensionsvermögen zu Darstellung der Idee des Absoluten aufbiete, worauf die Vernunft unnachläßlich dringt. Ist die Phantasie unthätig und träge, oder geht die Tendenz des Gemüths mehr auf Begriffe als auf Anschauungen, so bleibt auch der erhabenste Gegenstand bloß ein logisches Objekt, und wird gar nicht vor das ästhetische Forum gezogen. Dieß ist der Grund, warum Menschen von überwiegender Stärke des analytischen Verstandes für das ästhetisch große selten viel Empfänglichkeit zeigen. Ihre Einbildungskraft ist entweder nicht lebhaft genug, sich auf Darstellung des Absoluten der Vernunft auch nur einzulassen, oder ihr Verstand zu geschäftig, den Gegenstand sich zuzueignen, und ihn aus dem Felde der Intuition in sein diskursives Gebiet hinüber zu spielen.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band4_169.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)