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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält.

in die Stelle des Verfassers während dieses Moments.

Es ist Pflicht des Vorlesers, das Coulissenspiel der Autorschaft möglichst zu verbergen. Was wir von ihm empfangen, muß als ein freyes Produkt der schönen menschlichen Natur erscheinen.

Es giebt wenig Schriftsteller die einen gewissen Charakter durchaus behaupten, und bey denen man keine Ungleichheiten des Tons bemerkt. Fehler dieser Art können durch den Vorleser unmerklicher gemacht werden, wenn er Licht und Schatten klüglich zu vertheilen weiß.

Der Vorleser ist Repräsentant des Autors. Was diesen von einer nachtheiligen Seite darstellen könnte, muß er vermeiden. Dahin gehören Züge der Eitelkeit oder Selbstgefälligkeit im Moment der Leidenschaft – Anmaßung einer geistigen Ueberlegenheit über sein Publikum – unzeitige Kälte, oder geheuchelte und übertriebene Wärme und dergleichen.

Das Bild des Verfassers im Augenblicke der Begeisterung soll unserer Phantasie durch die Kunst der Deklamation vorschweben. In diesem Bilde muß sich Würde, die immer mit wahrer Begeisterung verbunden ist, mit Anmuth vereinigen.




Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band4_106.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)