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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält.

38 Die Seele,


Des Lebens neue Schöpfung hebet an,

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Es füllt die Brust ein ungenanntes Sehnen,

Ein süsser nie gefühlter Wahn,
Der mehr als Wahrheit gilt, reißt uns jetzt himmelan,
Und scheint der Seele Fittiche zu dehnen,
Und an der wachsenden Begier,

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Mit Wesen um dich her dich zu vereinerleyen,

Siehst du die Schöpfung sich in jungem Reiz erneuen:
Ein Paphos wird die Erde dir,
Es strahlt in schönem Wiederscheine,
In mildern Lichte die Natur,

75
Es duften würziger die Haine,

Und, neu und magisch, bannt dein Auge dir die Flur;
Der Bäume Grün scheint dir zu leben,
Melodischer entzückt dein Ohr das Waldgetön,
Den Himmel hat ein luftig Gold umgeben,

80
Die Erde sahst du nie so schön.

So ists dem Wanderer, der lang
Durch Nacht und Ungewisheit irrte,
Wo, unterbrochen nur von heischerem Gesang,
Das Graun der Einsamkeit, der Nebel ihn umflirrte,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band4_038.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)