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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält.

eine Zähre schenkest. Ach, wie gern wollt’ ich deine Treue vergelten! Aber, ich bin ein Bettler! kann dir nichts geben als diesen brüderlichen Händedruck und diesen Kuß des Dankes – Ach, Treuhold! kein Menschenkind unter den Millionen, die auf dem Strome der Zeit aus der Urne der schaffenden Natur hervorrennen, hat so viel des Unglücks und der Leiden erduldet, als ich! – Ich habe die Schlangen in meinem Busen erzogen und ernährt die nun mein Herz mit giftigen Zähnen verwunden. Das Fleisch von meinem Fleisch, das Blut von meinem Blut, hat sich wider mich empört, und die, die ich mit zahllosen Wohlthaten überhäufte, rissen die Krone von meiner Scheitel, gaben mir diesen Stein zum Throne, diesen Stab zum Szepter, und diese Bettlerlumpen für den kaiserlichen Purpur. – Unstät, geächtet, verlassen von all meinen Kriegern und Höflingen; verfolgt von dem allvermögenden Fluche teuflischer Priester, muß ich umherirren in meinen eignen Landen wie ein Dieb – wie ein flüchtiger Mörder! – Jeder Gassenbube ist befugt, den Dolch in mein Herz zu stoßen und sich mit meinem Blut Ablaß seiner Sünden zu erwuchern. Meine eignen Kinder haben mir Krone und Länder gestohlen, und streben sogar nach meinem Leben. Selbst der mütterlichen Erde ist es verboten, mir eine Grabstätte zu verleihen,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Vierter und letzter Band, welcher das vierte fünfte und sechste Stück enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band4_006.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)