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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Mißbilligung, hängen wir nicht von ihr ab. Die Gottheit also, vorgestellt als eine Macht, die unsre Existenz zwar aufheben, aber solange wir diese Existenz noch haben, auf die Handlungen unsrer Vernunft keinen Einfluß haben kann, ist dynamischerhaben – und auch nur diejenige Religion, welche uns diese Vorstellung von der Gottheit giebt, trägt das Siegel der Erhabenheit in sich. [1]


  1. Wider diese Auflösung des Begriffs vom Dynamischerhabenen, sagt Kant, scheint zu streiten, daß wir Gott im Ungewitter, Erdbeben u. s. f. als eine zürnende Macht und dennoch als erhaben vorzustellen pflegen, wobey es von unsrer Seite Thorheit sowohl als Frevel seyn würde, uns eine Ueberlegenheit des Gemüths über die Wirkungen einer solchen Macht einzubilden. Hier scheint kein Gefühl der Erhabenheit unsrer eignen Natur, sondern vielmehr Niedergeschlagenheit und Unterwerfung die Gemüthsstimmung zu seyn, die sich für die Erscheinung eines solchen Gegenstandes schickt. In der Religion überhaupt scheint Niederwerfen, Anbetung mit zerknirschten angstvollen Geberden das einzig schikliche Benehmen in Gegenwart der Gottheit zu seyn, welches daher auch die meisten Völker angenommen [345] haben. Aber, fährt er fort, diese Gemüthsstimmung ist mit der Idee der Erhabenheit einer Religion bey weitem nicht so nothwendig verbunden. Der Mensch, der sich seiner Schuld bewußt ist und also Ursache hat, sich zu fürchten, ist in gar keiner Gemüthsstimmung, um die göttliche Größe zu bewundern – nur alsdann, wenn sein Gewissen rein ist, dienen jene Wirkungen der göttlichen Macht dazu, ihm eine erhabene Idee von der Gottheit zu geben, sofern er durch das Gefühl seiner eigenen erhabnen Gesinnung über die Furcht vor den Wirkungen dieser Macht erhoben wird. Er hat Ehrfurcht, nicht Furcht, vor der Gottheit, da hingegen die Superstition bloße Furcht und Angst vor der Gottheit fühlt, ohne sie hochzuschätzen, woraus nie eine Religion des guten Wandels, bloß Gunstbewerbung und Einschmeichlung entstehen kann. Kants Kritik der aesthetischen Urtheilskraft. Analytik des Erhabenen.
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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_344.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)