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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

weniger erhaben, als sie von dem Menschen gebändigt erscheint, und sie wird wieder schnell erhaben, sobald sie die Kunst des Menschen zu Schanden macht. Ein Pferd, das noch frey und ungebändigt in den Wäldern herumläuft, ist uns als eine uns überlegene Naturkraft furchtbar, und kann einen Gegenstand für eine erhabene Schilderung abgeben. Eben dieses Pferd, gezähmt, an das Joch oder vor den Wagen gespannt, verliert seine Furchtbarkeit, und mit ihr auch alles Erhabene. Zerreißt aber dieses gebändigte Pferd seine Zügel, bäumt es sich entrüstet unter seinem Reiter, giebt es sich seine Freyheit gewaltsam wieder, so ist seine Furchtbarkeit wieder da, und es wird aufs neue erhaben.

Die physische Ueberlegenheit des Menschen über die Naturkräfte ist also so wenig ein Grund des Erhabenen, daß sie fast überall, wo sie angetroffen wird, die Erhabenheit des Gegenstandes schwächt oder ganz vernichtet. Zwar können wir uns mit merklichem Vergnügen bey der Betrachtung der menschlichen Geschicklichkeit verweilen, die sich die wildesten Naturkräfte zu unterwerfen gewußt hat, aber die Quelle dieses Vergnügens ist logisch und nicht aesthetisch; es ist eine Wirkung des Nachdenkens

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_333.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)